Bankenbarometer 2023

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Executive Summary

Teil I: Der Schweizer Bankensektor

Die Schweiz gehört zu den wett­bewerbs­fähigsten Finanzzentren der Welt und ist die Nummer eins im grenzüberschreitenden Vermögens­verwaltungsgeschäft. Die erst­klassigen Rahmenbedingungen sowie die vorbildliche Regulierung zeigen sich nicht zuletzt in der hohen Inno­vationskraft und Stabilität.

Konjunkturelle Abkühlung, robuster Arbeitsmarkt Die konjunkturelle Entwicklung war 2022 durch die wirtschaftliche Erholung von der COVID-19-Pandemie, aber auch von verschiedenen geopolitischen Krisen und steigender Inflation geprägt. Das Wirtschaftswachstum hat sich deutlich abgeschwächt. Für 2023 rechnet der Swiss Banking Outlook mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,9 Prozent. Der Schweizer Arbeitsmarkt bleibt robust: Die Arbeitslosenquote im Bankensektor liegt deutlich unter dem Wert vor der COVID-19-Pandemie und die Anzahl ausgeschriebener Stellen ist hoch. Deutliche Erhöhung des SNB-Leitzinses angesichts hoher Inflation Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erhöhte angesichts der hohen Konsum­teuerung den Leitzins seit Juni 2022 sukzessive und beendete damit ihre Negativzinspolitik. Sie erachtet den Schweizer Franken zudem nicht länger als überbewertet. Mit dem Anstieg des Leit­zinses erhöhten sich auch die Zinssätze für Hypotheken und Spareinlagen. Während im Zinsdifferenz­geschäft die Margen im Neu­geschäft wieder dem Niveau der Zeit vor der Negativzinsphase entsprechen, steigt die durchschnittliche Verzinsung des gesamten Kreditbestandes nur schritt­weise. Beherzte Massnahmen stellen Finanz­stabilität sicher Die Erholung der Ertragssituation im Zinsgeschäft hat die Widerstandskraft im Finanzsystem insgesamt erhöht. Die mit der Zinswende verbundenen Bewertungs­korrekturen haben jedoch bei verschie­denen US-Banken, deren Zinsrisiko­management mangelhaft war, zur Insolvenz geführt. Für Banken wie die Credit Suisse, bei der das Kundenvertrauen bereits angeschlagen war, wurde dadurch das Umfeld wesentlich anspruchsvoller. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, flankiert durch die Massnahmen der Schweizer Behörden, hat sich als ziel­führend und wirksam erwiesen, um die Systemstabilität sicherzustellen und das Vertrauen in die Finanzinstitute aufrecht zu erhalten. Insgesamt sind die Schweizer Banken gut aufgestellt, um das heraus­fordernde makroökonomische Umfeld und allfällige künftige Krisen zu bewältigen. Arbeiten für digitalen Schweizer Franken und Multibanking sollen Standort Schweiz stärken Unter der Koordination der SBVg hat eine Gruppe von Banken ein Projekt zur Ein­führung eines digitalen Schweizer Frankens auf der Basis tokenisierter Einlagen als öffentliches Gut lanciert. Der sogenannte Buchgeld-Token soll den Handel und die Abwicklung digitaler Vermögens­werte, den Zahlungsverkehr der «Wirtschaft 4.0» und peer-to-peer-basierte Applikationen ohne Intermediäre («Decentralized Finance») ermöglichen und vereinfachen.1 Die Branche wirkt ebenfalls aktiv auf die vom Bundesrat Ende 2022 formulierten Ziele für Open Finance auf dem Finanzplatz Schweiz hin. Zahlreiche Geschäftsbanken ermöglichten Anfang Mai 2023 mit der Unterzeichnung eines «Memorandum of Understanding» die Einführung von Multi­banking-Angeboten für natürliche Personen, indem sie die dazu erforderlichen Schnittstellen bereit­stellen. Reformpaket Basel III ist auf der Ziel­geraden Mit «Basel III final» sollen letzte Elemente des Reformpaketes Basel III in das nationale Recht überführt werden, ins­besondere bezüglich den Eigenkapital­vorschriften für die Banken. Die SBVg unterstützt das Reformpaket grundsätzlich, aber es besteht vor allem in der Hypo­thekar­markt­regulierung noch Anpassungs­bedarf. Um Wettbewerbsnachteile für den Finanzplatz Schweiz und die einheimische Wirtschaft zu verhindern, sollte zudem die Umsetzung in den wichtigsten Vergleichs­finanzplätzen berücksichtigt werden. Schweizer Bevölkerung nimmt Vorschlag zur Umsetzung der OECD-Mindeststeuer an Die Schweizer Stimmbevölkerung hat in jüngster Zeit über drei Vorlagen im Steuerbereich abgestimmt. Während im Frühjahr 2022 die Vorlagen zur Änderung des Bundesgesetzes über die Stempel­abgaben und im Herbst die Reform der Verrechnungssteuer entgegen den Empfehlungen der Wirtschaft keine Mehrheit fanden, wurde der Umsetzungs­vorschlag des Bundesrats für die Mindest­steuer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Juni 2023 deutlich angenommen. Ab 2024 sollen die Gewinne grosser, inter­national tätiger Unternehmen weltweit zu mindestens 15 Prozent besteuert werden. Mit dem Schweizer Umsetzungsvorschlag soll sicher­gestellt werden, dass die zusätzlichen Steuer­einnahmen in der Schweiz anfallen und nicht ins Ausland abfliessen. Bundesrat hat die Eckwerte für ein Verhandlungspaket mit der EU festgelegt Die Bemühungen für einen vereinfachten Marktzugang in die Europäische Union (EU) gehen weiter. Der Bundesrat hat im Juni 2023 die Eck­werte für ein Verhandlungs­paket mit der EU festgelegt. Angestrebt wird ein sogenannter vertikaler Ansatz mit der Verankerung institutioneller Elemente in den einzelnen Binnenmarktabkommen. Bis Ende 2023 soll vom Bundesrat ein Verhandlungsmandat verabschiedet werden. Zudem soll in nächster Zeit ein Abkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich (UK) über die Liberalisierung und Aus­weitung des gegen­seitigen Marktzugangs im Bereich der Finanzdienstleistungen finalisiert werden.

Teil II: Konsolidierte Entwicklung der Banken

2022 war für die Schweizer Banken ein herausforderndes Jahr. Der aggregierte Geschäftserfolg ging leicht zurück und die Bilanzsumme nahm erstmals in den letzten zehn Jahren deutlich ab. Die Entwicklung unterscheidet sich stark nach Banken­­gruppe.

Erfolg aus dem Zins- und Handelsgeschäft gewinnt an Bedeutung Der Erfolg aus dem Zinsgeschäft stellte nach einer Zunahme um 2,8 Prozent wieder den grössten Teil des Geschäftserfolgs bei den Banken dar. Diese Entwicklung ist vor allem auf die Zinswende zurückzuführen. Auch der Erfolg aus dem Handelsgeschäft nahm gegenüber dem Vorjahr stark zu, zurück ging demgegenüber der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungs­geschäft. Grund dafür dürfte die negative Markt­entwicklung im Jahr 2022 mit einem Rückgang des Swiss Market Index (SMI) um rund 17 Prozent sein. Insgesamt resultierte eine leichte Abnahme des aggregierten Geschäftserfolgs um 0,9 Prozent. Der Jahresgewinn aus der Geschäftstätigkeit der Banken verringerte sich 2022 um 16,3 Prozent auf CHF 6,5 Mrd. Die Banken entrichteten Unternehmenssteuern in der Höhe von CHF 2,1 Mrd., was dem lang­jährigen Durchschnitt entspricht. Starke Abnahme der flüssigen Mittel, Hypothekarforderungen bleiben grösste Aktivposition Die aggregierte Bilanzsumme aller Banken in der Schweiz ging im Jahr 2022 deutlich um 6,9 Prozent auf CHF 3’339,7 Mrd. zurück. Der Rück­gang bei den Gross­banken fiel besonders ins Gewicht und dürfte massgeblich durch die Verschiebung von Kundengeldern bei der Credit Suisse getrieben sein. Die flüssigen Mittel nahmen deutlich ab, während die Finanzanlagen kräftig zunahmen. Die Giroguthaben der Banken bei der SNB gingen 2022 so stark zurück wie seit zehn Jahren nicht mehr. Grund sind nebst dem Verkauf auslän­discher Devisen durch die SNB die durch die Leitzinserhöhung gestiegenen Opportunitätskosten der Liquiditäts­haltung sowie der hohe Liquiditätsbedarf der Credit Suisse. Mit einem Anteil von 35,2 Prozent bleiben die Hypothekar­forderungen die grösste Aktivposition und machen zum ersten Mal über ein Drittel der gesamten Aktiven aus. Starker Rückgang der Sichteinlagen, teilweise Umschichtung in Termineinlagen Auf der Passivseite haben die Verpflich­tungen aus Kundeneinlagen 2022 um 8,5 Prozent deutlich abgenommen. Der Rück­gang ist auf tiefere Sichteinlagen und übrige Kunden­verpflichtungen zurückzu­führen. Teilweise fand eine Umschichtung in Termineinlagen statt, ein bedeutender Teil des Rückgangs stand aber in Zusammen­hang mit Verschiebungen von Kunden­geldern bei der Credit Suisse im Oktober 2022. Ein Teil dieser Kundeneinlagen wurde vermutlich zu anderen Bankengruppen verschoben: Die Kantonalbanken, Raiffeisen­banken, Regionalbanken und Sparkassen konnten im Jahr 2022 trotz gestiegener Opportunitätskosten einen Anstieg der Sichteinlagen verzeichnen. Die Abnahme der verwalteten Vermögen reflektiert negative Entwicklung der Aktienmärkte Die verwalteten Vermögen verzeichneten 2022 eine deutliche Abnahme um 11,2 Prozent. Der Rückgang betraf sowohl die Vermögen inländischer wie ausländischer Kundinnen und Kunden. Haupttreiber dieser Entwicklung war eine markante Abnahme der Wertschriften­bestände um 13,9 Prozent aufgrund der negativen Markt­entwicklung. Der Schweizer Franken war mit einem Anteil von über 50 Prozent weiterhin die wichtigste Anlagewährung. Im längerfristigen Rückblick legten die ver­walteten Vermögen seit 2012 insgesamt stark zu, obwohl sie im Jahr 2022 einen Rückgang auf das Niveau der Jahre 2019/2020 verzeichneten. Anzahl Beschäftigte bei den Banken in der Schweiz nahm das dritte Jahr in Folge zu Die 235 Schweizer Banken konnten 2022 zum dritten Mal in Folge eine Zunahme der Anzahl Beschäftigten im Inland verzeichnen (+1’429 Vollzeitäquivalente). Die Anzahl Beschäftigte liegt damit wieder über dem Niveau von 2017. Die Grossbanken bauten 2022 rund 25 Stellen ab, während die restlichen Bankengruppen insgesamt 1’453 Stellen aufbauten. Die Arbeitslosen­quote des Finanzsektors lag gemäss dem Staats­sekretariat für Wirtschaft (SECO) Ende 2022 mit 2,0 Prozent leicht unter der­jenigen der Gesamtwirtschaft. In der ersten Jahreshälfte 2023 ging gemäss der Umfrage der SBVg der Personal­bestand bei den Schweizer Banken um fast 2 Prozent zurück, wobei dies ausschliesslich auf die Entwicklung im Ausland zurückzuführen war. Im Inland erhöhte sich die Beschäftigung im gleichen Zeitraum um 0,3 Prozent. Die Arbeits­losenquote verblieb im Finanzsektor gemäss SECO gegenüber Ende 2022 unverändert bei 2 Prozent. Die Aus­sichten für den weiteren Jahresverlauf sind gemäss der Umfrage der SBVg unsicher. Die Erwartungen für das zweite Halbjahr sind bei den befragten Banken positiv, wobei die Grossbanken für die Prognose nicht berücksichtigt wurden. Während 5,7 Prozent der befragten Banken von einem Rückgang der Beschäftigten ausgehen, erwarten 37,7 Prozent der Befragten einen Arbeitsplatzaufbau – der grösste Teil mit 56,6 Prozent ist neutral. Die besten Aussichten auf eine steigende Beschäf­tigung im zweiten Halbjahr 2023 haben gemäss Umfrage die Geschäfts­bereiche Retail Banking, Wealth Management sowie Logistik und Operations («Backoffice»).

Abbildung 1

Herausforderndes wirtschaftliches Umfeld für die Banken Nach einem konjunkturell schwachen zweiten Halbjahr 2022 blieb die Wirt­schafts­entwicklung in der ersten Jahres­hälfte 2023 verhalten. Einer weiterhin starken Inlandsnachfrage standen steigende Konkurszahlen und höhere Finanzierungskosten für Unternehmen gegenüber. Die Inflation ist seit Jahres­beginn leicht rückläufig, verharrt aber auf hohem Niveau. Die im Vergleich zu 2022 positive Entwicklung auf den Finanz­märkten dürfte sich günstig auf das Handels- und Kommissionsgeschäft der Banken auswirken. Zudem entspricht die Zinsmarge für neue Kredite und Hypo­theken wieder dem Niveau vor der Negativ­zinsphase. Entsprechend erwartet der Swiss Banking Outlook für 2023 im Vergleich zum Vorjahr einen höheren Geschäftserfolg. Die Bilanz­summe blieb in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 weitgehend gleich (+0,2%). Die verwalteten Vermögen nahmen hingegen nach einem starken Rückgang 2022 in den ersten Monaten 2023 um 5,5 Prozent zu, konnten die Vorjahresverluste aber erst zum Teil wettmachen.

Teil III: Swiss Banking Outlook

Der Swiss Banking Outlook erscheint zum ersten Mal. Er ist ein aussage­kräftiger Ausblick der Branche basierend auf einer Umfrage bei ausgewiesenen Finanzmarkt­expertinnen und -experten und stellt die erwartete Entwicklung wichtiger Konjunktur- und Finanzmarkt­indikatoren sowie geschäftsrelevanter Themen für den Bankenplatz Schweiz bis Ende 2024 dar.

Niedriges Wirtschaftswachstum und Teuerung über 2 Prozent für 2023 erwartet Gemäss dem Swiss Banking Outlook wird das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr 0,9 Prozent und die Teuerung 2,4 Prozent betragen. Eine Mehrheit der Expertinnen und Experten geht nicht von einem weiteren Anstieg des SNB-Leitzinses über den aktuellen Wert von 1,75 Prozent aus. Für das Jahr 2024 ist das konjunk­turelle Bild etwas optimistischer: Prognostiziert wird ein Wirtschafts­wachstum von 1,5 Prozent. Ebenfalls wird ein Rückgang der Inflation sowie eine Trendumkehr bei den Zinsen erwartet. Zinsgeschäft als Haupttreiber eines zunehmenden Geschäftserfolges 2023 Der Swiss Banking Outlook sagt für das laufende Jahr eine Zunahme des Geschäfts­erfolgs der Schweizer Banken voraus. Als Haupttreiber dürfte sich dabei erneut der grössere Erfolg aus dem Zinsgeschäft erweisen. Bei den Hypo­thekar­krediten erwartet hingegen die Mehrheit der befragten Expertinnen und Experten aufgrund des erhöhten Zins­niveaus und der verhaltenen wirtschaft­lichen Entwicklung für 2023 ein unter­durchschnittliches Wachstum. Digitales Kundenerlebnis und Sustainable Finance als grosse Chancen für den Banken­platz Schweiz Nebst den steigenden Zinsen ortet der Swiss Banking Outlook die zukünftigen Ertrags­chancen für die Banken in der Schweiz in der weiteren Verbesserung des Kundenerlebnisses durch digitale Kanäle und in nicht nachlassenden Anstrengungen zur Förderung von Sustainable Finance. Für 2023 darf ein starkes Volumenwachstum bei den nachhaltigen Investitionen erwartet werden. Ertragsrisiken für den Bankenplatz Schweiz sieht der Swiss Banking Outlook insbesondere in einer kostenintensiven Anpassung der IT-Systeme und der zu­nehmenden Regulierungs­dichte.

Abbildung 2

Der Redaktionsschluss des Banken­barometers 2023 war am 14.8.2023.

1 SBVg (2023). Der Buchgeld-Token. Neues Geld für die digitale Schweiz. Whitepaper der SBVg.