Bankenbarometer 2022

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Executive Summary

Teil I: Der Schweizer Bankensektor

Der Schweizer Finanzplatz gehört zu den wettbewerbsfähigsten Finanz­zentren der Welt und ist weltweit die Nummer 1 im grenz­überschreitenden Vermögens­verwal­tungs­geschäft. Er bietet erstklassige Rahmen­bedin­gungen für technologische Inno­va­tionen und ist international vorbildlich reguliert.

Gegenläufige Tendenzen in der wirtschaft­lichen Entwicklung Die Schweiz hat die COVID-19-Pandemie aus wirtschaftlicher Sicht im internationalen Vergleich bislang gut bewältigt. 2021 konnten die Mass­nahmen schrittweise gelockert werden, was mit einer starken wirtschaftlichen Erholung und einem Rückgang der Arbeitslosenquote ein­herging. Die konjunkturelle Entwicklung 2022 wird durch verschiedene Unsicher­heiten wie z. B. den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Gefahr einer Energieknappheit aber auch durch mög­licher­weise erneute COVID-19-Mass­nahmen sowie steigende Inflationsraten geprägt. Für das Jahr 2022 wird mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2,6 Prozent gerechnet. Zentralbanken erhöhen angesichts persistent hoher Inflationsraten die Leitzinsen Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im Juni 2022 erstmals seit fünfzehn Jahren den Leitzins angehoben und weitere Zins­schritte in Aussicht gestellt, um die Preis­stabilität zu gewähr­leisten. Auch die Federal Reserve (Fed) und in geringerem Ausmass die Europäische Zentral­bank (EZB) reagierten auf den starken Anstieg der Konsumentenpreise mit einer Leit­zinserhöhung. Die Fed begann zudem im Juni 2022 damit, ihr Anleiheportfolio zu reduzieren, die EZB stellt einen solchen Schritt erst für 2024 in Aussicht. Staatsverschuldung bleibt mittelfristig auf hohem Niveau Infolge der COVID-19-Pandemie nahm die Staatsverschuldung auf hohem Niveau weiter stark zu. Mittelfristig ist nicht mit einem Rückgang zu rechnen. Insbesondere in der Eurozone erschweren die hohen Schulden­stände den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. Die Schweiz verfügt im internationalen Vergleich über eine relative niedrige Staatsverschuldung. Derzeit werden im Parlament zwei Varianten zur Rück­führung der COVID-19-bedingten ausser­ordentlichen Verschul­dung beraten. Bundesrat will den bilateralen Weg mit der Europäischen Union weiterführen Der Bundesrat will den bilateralen Weg fortführen und hat die Stossrichtung für ein Verhand­lungs­paket mit der Europäischen Union (EU) festgelegt. Angestrebt wird eine Verankerung institutioneller Elemente in den einzelnen Binnenmarktabkommen (vertikaler Ansatz). Eine integrale Klärung der institutionellen Fragen (horizontaler Ansatz) ist für den Bundesrat nach seiner Ablehnung des institutionellen Rahmen­abkommens keine Option mehr. In den Verhandlungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich (UK) über die Liberalisierung und Aus­weitung des gegenseitigen Marktzugangs im Bereich der Finanz­dienst­leistungen konnten wichtige Grundsatzfragen geklärt werden. Bis Ende 2022 soll das Wesent­liche in einem Staatsvertrag festgehalten werden. Privates Digitalgeld und digitales Zentralbankgeld weltweit im Fokus Verschiedene Zentralbanken, Banken und Technologiefirmen arbeiten im Hinblick auf die Erfordernisse der zunehmend digitalen Wirtschaft weltweit an digitalen Geld­formen. Je nach Ausgestaltung kann Digital­geld das Geschäftsmodell der Banken wie auch das Wirken der Zentral­banken fundamental verändern. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hat mit ihrem Diskussionspapier einen wichtigen Diskurs über die Ausgestaltung und den Einsatz von Digitalgeld und dessen Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft angestossen.1 Änderung der Liquiditätsverordnung für systemrelevante Banken in Kraft getreten Das neue Regulierungskonzept basiert auf zwei Säulen: den streng kalibrierten und offen­legungs­pflichtigen Grundanfor­derungen sowie den institutsspezifischen Zusatzanforderungen, die durch die Eid­genössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) vorgegeben werden können. Kritische Rück­meldungen der SBVg wurden vom Bundesrat zu einem grossen Teil berück­sichtigt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) arbeitet an der Einführung einer globalen Mindeststeuer Die von der Organisation für wirtschaft­liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor­geschlagene Mindeststeuer von 15 Prozent auf Betriebsgewinne von Konzernen hätte weitreichende Aus­wir­kungen auf die Schweiz als export­orien­tiertes Land mit moderatem Steuer­niveau und kleinem Binnenmarkt. Die grösseren Schweizer Banken wären vom Regime direkt betroffen. Die SBVg unter­stützt eine Schweizer Umsetzung mit Augenmass und engagiert sich für ihre Mitglieder zum Erhalt des Erfolgsmodells Schweiz.

Teil II: Konsolidierte Entwicklung der Banken

Die Geschäftslage der Banken präsentierte sich 2021 gut. Der aggregierte Geschäfts­erfolg konnte insbesondere dank des Erfolgs aus dem Kommissions- und Dienst­leistungs­­geschäft gesteigert werden. Die aggregierte Bilanzsumme ver­zeich­nete einen Zuwachs. Die Anzahl Beschäftigte im Bankensektor nahm das zweite Jahr in Folge leicht zu.

Der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft prägte den aggregierten Geschäftserfolg Erstmals seit 2015 trug der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft nach einer Zunahme um 10,9 Prozent den grössten Teil zum Geschäftserfolg der Banken bei. Grund dafür war der starke Anstieg der Wertpapierkurse im Jahr 2021. Der Erfolg im Handelsgeschäft nahm demgegenüber ab, nachdem er 2020 noch deutlich zugelegt hatte. Insgesamt resultierte eine Zunahme des aggregierten Geschäfts­erfolgs um 1,4 Prozent. Der Erfolg aus dem Zins­geschäft nahm dabei nur leicht zu, das Niedrigzinsumfeld bleibt für die Banken eine Heraus­forderung. Die SNB nahm 2021 CHF 1,3 Mrd. an Negativ­zinsen ein. Der Grossteil davon stammte von Banken, deren Ergebnisse dadurch weiterhin stark belastet wurden. Der Bruttogewinn aus der Geschäfts­tätigkeit der Banken nahm 2021 um 3,1 Prozent zu. Die Banken entrichteten Steuern in Höhe von CHF 2,6 Mrd. Starke Zunahme der flüssigen Mittel, Hypothekarforderungen bleiben grösste Aktivposition Die aggregierte Bilanzsumme aller Banken in der Schweiz nahm im Jahr 2021 um 3,5 Prozent auf CHF 3’587,8 Mrd. zu. Mit einem Anstieg um 11,1 Prozent waren die flüssigen Mittel massgeblich an der Zu­nahme der Aktiven beteiligt. Die Zunahme der Giroguthaben der Banken bei der SNB bewegte sich mit 4,4 Prozent nach dem starken Anstieg im Vorjahr wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau. Die Hypothekar­forderungen bildeten mit einem Anteil von 31,6 Prozent weiterhin die grösste Position auf der Aktivseite der Schweizer Banken. Flüssige Mittel und Hypothekar­forde­rungen waren in den vergangenen zehn Jahren die treibende Kraft auf der Aktiv­seite. So verzeichneten die flüssigen Mittel zwischen 2011 und 2021 eine markante Zunahme von CHF 259 Mrd. auf CHF 760,6 Mrd. Diese Entwicklung ist unter anderem auf die Basel-III-Liquiditäts­regulierung sowie auf die Frankenstärke und das Niedrigzinsumfeld zurückzuführen. Letzteres steigert wiederum die Attrak­tivität von Wohneigentum und erklärt die in dieser Zeit beobachtete Zunahme der Hypothekarforderungen um rund 40 Prozent. Sowohl Sichteinlagen wie auch Terminanlagen legten zu Auf der Passivseite verzeichneten die Verpflichtungen aus Kundeneinlagen eine Zunahme von 4,6 Prozent verzeichnet. Sie bildeten Ende 2021 insgesamt 57,5 Prozent der Bilanzsumme. Das Wachstum ist auf eine Zunahme sowohl der Sichteinlagen als auch der Termineinlagen um jeweils rund 10 Prozent zurückzuführen. Dies reflektiert die aussergewöhnlich hohe Sparquote infolge der COVID-19-Pandemie. Die übrigen Verpflichtungen aus Kunden­einlagen und Verpflichtungen aus Handels­geschäften nahmen demgegenüber ab. Der Anstieg der Termin­einlagen steht im Gegen­satz zur Entwicklung der letzten zehn Jahre. Zwischen 2011 und 2021 sank der Anteil der Termineinlagen an den Passiven von 12 Prozent auf 7 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Sicht­ein­lagen von 22,9 Prozent auf 35,7 Prozent. Im Niedrig­zins­umfeld verlieren Termin­einlagen gegenüber Sichteinlagen an Attraktivität und werden entsprechend umgeschichtet. Starke Zunahme der verwalteten Vermögen Die verwalteten Vermögen verzeichneten 2021 eine deutliche Zunahme von 12,1 Prozent , nachdem sie 2020 noch leicht rückläufig waren. Der Anstieg betraf die Vermögen sowohl inländischer wie aus­ländischer Kundinnen und Kunden. Haupt­treiber war die starke Zunahme der Wert­schriftenbestände in den Kundendepots der Banken (+14,3%). Rückläufig waren demgegenüber die Treuhand­verpflich­tungen (–10,8%) sowie die Verpflichtungen gegenüber Kundinnen und Kunden ohne Einlagen auf Sicht (–3,6%). Die verwalteten Vermögen haben zwischen 2011 und 2021 um 68% zugenommen, wobei der Ver­mögens­anteil der ausländischen Kundinnen und Kunden von 51 Prozent auf 47,4 Prozent zurückging. Ein Grund dafür ist die Aufwertung des Schweizer Frankens, welche sich stärker auf die ausländische Kundschaft auswirkt, deren Vermögen einen höheren Fremdwährungsanteil auf­weist. Anzahl Beschäftigte bei den Banken nahm das zweite Jahr in Folge zu Die 239 Schweizer Banken konnten 2021 zum zweiten Mal in Folge eine Zunahme der Anzahl Beschäftigten verzeichnen (+619 Vollzeit­äquivalente). Es ist dennoch nicht davon auszugehen, dass die jüngste Entwicklung eine Trendwende bedeutet. Aufgrund der Konsolidierung der Branche, verschärfter Regulierung und der Aus­lagerung von Tätigkeiten ist die Anzahl der Beschäftigten seit 2013 stetig gesunken. Die Arbeits­losenquote des Finanzsektors lag gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) Ende 2021 mit 2,4 Prozent leicht unter derjenigen der Gesamtwirtschaft.

Abbildung 1

Die Grossbanken verzeichneten per Ende 2021 insgesamt 314 Vollzeitstellen weniger als im Vorjahr. Demgegenüber wiesen die restlichen Banken­gruppen mit Ausnahme der Privatbankiers einen Stellenzuwachs auf. In der ersten Jahreshälfte 2022 erhöhte sich gemäss der Umfrage der SBVg der Personal­bestand bei den Schweizer Banken um rund 1 Prozent, wobei der Zuwachs im Ausland mit 1,5 Prozent stärker ausgefallen ist als im Inland (0,4%). Im gleichen Zeit­raum sank die Arbeits­losenquote gemäss SECO im Finanzsektor auf 2,2 Prozent. Die Aussichten für den weiteren Jahresverlauf präsentieren sich positiv. Während nur 5,7 Prozent der befragten Banken von einem Rückgang der Beschäftigten aus­gehen, erwarten 38,3 Prozent der Be­fragten einen Arbeits­­platzaufbau. Die besten Aussichten auf eine steigende Beschäftigung im zweiten Halb­jahr 2022 haben gemäss Umfrage die Geschäfts­bereiche Retail Banking, Wealth Manage­ment sowie Logistik und Operations («Backoffice»). Grosse Unsicherheiten prägen das erste Halbjahr 2022 Die wirtschaftliche Entwicklung 2022 ist von grosser geopolitischer Unsicherheit, steigenden Inflationsraten sowie der Rück­kehr zu einer restriktiveren Geld­politik geprägt. Damit einher geht eine negative Entwicklung der Aktienmärkte, welche sich sowohl in der Bilanz als auch den verwal­teten Vermögen der Schweizer Banken widerspiegelt. Die verwalteten Vermögen reduzierten sich in den ersten fünf Monaten 2022 nach einem starken Anstieg im Jahr 2021 um 4,4 Prozent. Die aggre­gierte Bilanzsumme legte bis Ende Mai um 1,3 Prozent zu, wobei bei den Aktiven vor allem die Forderungen aus Wertpapier­finanzierungsgeschäften sowie auch die sonstigen Aktiven zugenommen haben. Einen starken Rückgang verzeichneten demgegenüber die Handelsbestände in Wertschriften und Edelmetallen. Bei den Passiven kam es nach einer Zunahme im Jahr 2021 erneut zu einem Anstieg der Termineinlagen um 10,9 Prozent, während die Sichteinlagen um 1,4 Prozent zurück­gingen. Mit der eingeleiteten Zinswende dürften Termineinlagen weiter an Bedeutung gewinnen.

Abbildung 2